Im Beruf trifft man viele Menschen. Das können neue Kunden sein, Patienten im Krankenhaus oder die eigenen Mitarbeiter. Man merkt schnell: Jeder „tickt“ auf seine eigene Art. Das ist nicht verwunderlich; denn jeder Mensch ist einzigartig.
In bestimmten Momenten ist es gut zu wissen, wie jemand „tickt“: Ist jemand eher kontaktfreudig oder zurückgezogen? Eher selbstsicher oder unsicher? Eher Einzelgänger oder Teamplayer?
Doch es ist nicht immer möglich, sich lange Zeit zu nehmen, um sich gut kennenzulernen. In bestimmten Fällen wäre es aber hilfreich, wenn man sich kurzfristig ein Bild von jemandem machen könnte. Dies trifft besonders auf Bewerber für eine ausgeschriebene Arbeitsstelle zu. Dann wäre eine Methode hilfreich, die bestimmte Eigenschaften des Bewerbers übersichtlich darstellt. Eine solche Methode ist das Reiss Motivation Profile®, kurz: RMP.
In diesem Artikel sind sechs förderliche Ansätze zur Nutzung des RMP im Berufsfeld aufgeführt. Der Artikel richtet sich dabei sowohl an Menschen, die in der Personalabteilung eines Unternehmens tätig sind, als auch an Personen, die Mitarbeiter führen, fördern, fordern und koordinieren.
Was ist das RMP
Das RMP nutzt einen Fragebogen, der 128 Fragen enthält. Mit diesen Fragen möchte man grundsätzlich wissen, was einen Menschen von selbst zu einem bestimmten Verhalten motiviert?
Nach Auswertung der 128 Fragen wird dann diese Motivation anhand von 16 Kategorien dargestellt. Diese Kategorien werden auch „Lebensmotive“ genannt und heissen: Ordnung, Anerkennung, Körperliche Aktivität, Ruhe, Essen, Schönheit, Rache, Status, Familie, Beziehungen, Idealismus, Ehre, Sparen, Neugier, Unabhängigkeit und Macht. Diese Lebensmotive zeigen eine Person aus ganz bestimmten Blickwinkeln.
Weiter oben im Text haben wir schon drei Beispiele kennengelernt: Ist beispielsweise jemand eher kontaktfreudig oder schüchtern (Lebensmotiv: Beziehungen)? Einzelgänger oder Teamplayer (Lebensmotiv: Unabhängigkeit)? Selbstsicher oder unsicher (Lebensmotiv: Anerkennung)? Diese Fragen sind sowohl für die Besetzung einer Arbeitsstelle nützlich, als auch zur Zusammenstellung und Koordination von Projektteams. Erste wertvolle Anhaltspunkte zu diesen Fragen kann das RMP im Berufsfeld geben.
Um dieses Thema geht es jetzt nun in den folgenden Absätzen: Was kann das RMP leisten? Und wie lässt sich ein Missbrauch verhindern?
6 Ansätze zur Nutzung des RMP im Berufsfeld
#1 Das RMP vervollständigt das Bild eines Bewerbers
Die Persönlichkeit eines Menschen ist vielfältig. Anhand der Lebensmotive des RMP lernt man einen Menschen aus 16 verschiedenen „Blickwinkeln“ kennen. Das ist schon sehr viel. Es bietet anhand der Lebensmotive gezielte Zusatzinformationen über die Bewerbungsmappe und Zeugnisse hinaus, um die persönlichen Anforderungen der Arbeitsstelle mit den Begabungen und Qualitäten des Bewerbers abgleichen zu können.
Beispiel: Du suchst einen flexiblen und kreativen Kopf, der sowohl für sich allein als auch im Team ordentlich zupacken kann und in stressigen Momenten ruhig bleibt? Dann achte beim RMP dieser Person auf ihre Lebensmotive Ordnung, Schönheit, Unabhängigkeit und Ruhe.
#2 Das RMP baut ein Verständnis für die Reaktionen anderer auf
Unmut und Reibereien sind am Arbeitsplatz nicht auszuschliessen. Das kann verschiedene Gründe haben: Vielleicht hat sich jemand für seine Mühe nicht anerkannt gefühlt? Vielleicht gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, in welcher Reihenfolge eine Aufgabe erledigt werden soll? Oder vielleicht streikt der Computer gerade und das macht jemanden besonders nervös.
Die Computerprobleme kann das RMP im Berufsfeld zwar nicht lösen; es kann aber dabei helfen, in bestimmten Situationen ein Verständnis für die Reaktionen der Mitarbeiter untereinander aufzubauen. Das würdigt zudem ihre Individualität. Schauen wir uns hierfür zwei Beispiele aus dem RMP an: Nämlich die Lebensmotive „Ruhe“ und „Anerkennung“.
Ruhe
Auf dem Lebensmotiv „Ruhe“ kann Dir das RMP zeigen, wer eher stresssensibel oder stressrobust ist. Erinnern wir uns an das Computerbeispiel: Stresssensible Menschen neigen in solchen Fällen ggf. zur Nervosität und empfinden unangenehmen Stress. Durch das Wissen, wie sich jemand im Lebensmotiv „Ruhe“ möglicherweise verhält, kann in dieser Situation entsprechend reagiert werden, z. B. durch direkte Unterstützung, Beruhigung und gutem Zusprechen.
Anerkennung
Im zweiten Beispiel geht es um das Lebensmotiv „Anerkennung“. Ein klassisches Beispiel ist das fehlende Lob für eine erbrachte Leistung. Der Trugschluss ist nur: Vielleicht weiss man nicht, dass bestimmten Mitarbeitern ein Lob guttut und sie dies darüber hinaus noch für ihre Arbeit motiviert.
Nach dem RMP tendieren Menschen im Lebensmotiv „Anerkennung“ dazu, eher selbstsicher zu sein, oder eher unsicher zu sein. Wer eher unsicher ist, möchte gelegentlich für seine Leistung anerkannt und gelobt werden. Sofern dies eine Führungsperson weiss, kann diese den Umgang mit denjenigen Mitarbeitern durch Lob und Anerkennung harmonisch und beflügelnd gestalten.
#3 Das RMP im Berufsfeld vermeidet leere Satzphrasen
Statt „leerer Satzphrasen“ lässt sich durch das RMP ein sehr persönlicher Dialog mit Menschen gestalten. Stelle Dir hierbei einen Projektleiter vor, der seine jungen Auszubildenden auf ein anstehendes Projekt einarbeiten möchte. „Ich erwarte vollen Einsatz“ oder „Wir geben uns mit Mittelmässigem nicht zufrieden“ sind gut gemeinte Anweisungen. Doch sie sind sehr allgemein. Und sie sprechen nicht direkt die Motivation der Auszubildenden an. Veranschaulichen wir anhand des Lebensmotiv „Macht“ eine bessere Art, mit ihnen zu sprechen.
Macht
Die Kategorie „Macht“ zeigt, ob jemand eher führen möchte, oder sich lieber führen lässt. Es zeigt, ob jemand gerne Verantwortung übernimmt, oder lieber jemandem zuarbeitet. Ein Projektleiter, der um die Führungsqualitäten eines Auszubildenden weiss, kann daher wie folgt auf seine Qualität eingehen: „Übernehme Verantwortung und gestalte das derzeitige Projekt mit. Nimm ruhig Einfluss, stosse die kommenden Prozesse selbständig an und spreche über deine Ideen; gehe dabei auch aktiv auf uns, als deine Kollegen, zu.“
Es braucht sicherlich etwas Erfahrung und Feingefühl, wie die 16 Lebensmotive des RMP für einen guten Dialog genutzt werden können. Hierfür bietet das RMP sprachliche Anregungen an und es lässt sich daraus das Gespräch mit dem jeweiligen Gegenüber zielführend und persönlich gestalten.
#4 Sehe den Menschen als Ganzes – nicht als Zahl
Worte können ganz unterschiedlich verstanden werden. Was ist Glück? Was ist Schönheit? Was ist Macht? Jeder hat von diesen drei Begriffen eine eigene Vorstellung.
Demgegenüber sind Zahlen eindeutiger. Das RMP benutzt ebenfalls Zahlen, um in den 16 Lebensmotiven genauer angeben zu können, zu welchem Verhalten jemand eher tendiert. Die Skala geht dabei von -2 bis +2. Doch Vorsicht: Es ist nicht empfehlenswert, einen Menschen pauschal auf „ein paar Zahlen“ zu reduzieren. (Ähnliches gilt für Schulnoten, die nicht direkt etwas über den Charakter, die Qualitäten oder die Manieren einer Person aussagen.) Schaue dabei eher auf die Tendenzen, die anhand des RMP sichtbar werden. Dies führt uns auch schon zum nächsten Absatz, in welchem es darum geht, den Menschen ganzheitlich und urteilsfrei zu sehen.
#5 Das RMP betrachtet einen Menschen urteilsfrei
Das RMP basiert auf 128 Fragen. 128 Fragen sind eine Menge, um eine Person zu charakterisieren. Doch im Bewerbungsprozess sollte das RMP-Profil nicht als „finales Urteil“ über eine Person gelten. Mit anderen Worten: Bei dieser Fülle an Informationen könnte die Versuchung nahe liegen, nach der „Nadel im Heuhaufen“ zu suchen, um sich ggf. gegen einen Bewerber zu entscheiden.
Beispiel: Du hättest Dir in der Kategorie „Neugier“ auf der Skala eine 1,7 von Deinem Bewerber gewünscht – es kam aber nur eine 1,68 heraus. Sich bei einer Kategorie um eine Dezimalstelle nach dem Komma zu streiten und genau diese dann zum Anhaltspunkt für eine Absage zu nutzen, lässt am professionellen Umgang eines Betriebs mit dem RMP zweifeln.
Sehe auch hier den Menschen als Ganzes – und nicht nur als Zahl. Nutze dabei das RMP im Berufsfeld als eine konstruktive Planungs-, Koordinations- und Entscheidungshilfe – und nicht als „Waffe“.
#6 Entwickle mit dem RMP im Berufsfeld Deine Mitarbeiter und Deinen Betrieb
Manchmal sind die Talente der Mitarbeiter nicht direkt zu sehen. Manchmal werden diese Talente auch nur als Hobby abgetan.
Das RMP im Berufsfeld bietet Dir verschiedene Blickwinkel, um neue sowie unentdeckte Talente und Fähigkeiten unter Deinen Mitarbeitern zu entdecken. Dies erlaubt zudem, Mitarbeiter zu entwickeln – eine Win-Win-Situation für Dich und Deine Mitarbeiter. Es lassen sich aus dem RMP somit auch strategische Schritte für Deinen Betrieb ableiten.
Gleiches gilt auch für Bewerber: Anhand des RMP kannst Du bestimmte Facetten des Bewerbers konkret ansprechen. Ein Beispiel: Du suchst vielleicht jemanden, der Dir bei einer besseren Strukturierung Deiner Projekte behilflich ist. Du siehst allerdings auch aus dem RMP-Profil, dass Dein Bewerber „schönheitssuchend“ ist. Das bedeutet, dass der- oder diejenige ein gutes Auge für Ästhetik, Form, Design und Farben hat. Erwähne dies im Bewerbungsgespräch. Ein solches „Talent“ kann Deiner Öffentlichkeitsarbeit zugutekommen. Mit anderen Worten ausgedrückt: Du holst Dir bei der vollständigen Betrachtung des RMP einer Person mehr Potenzial in Deinen Betrieb hinein, als Du zuvor in Deiner Stellenanzeige vielleicht ausgeschrieben hast.
Resümee
Eine finale Entscheidung, wer auf eine Arbeitsstelle am besten passt, kann das RMP einer Personalabteilung zwar nicht abnehmen; doch es bietet ihr wertvolle Zusatzinformationen zum Bewerber. Zudem regt das RMP im Berufsfeld ein besseres Verständnis untereinander an. Wer weiss, wie die einzelnen Mitarbeiter „ticken“, geht verständnisvoll und entspannt in einen Dialog und an die Arbeit.
An der Mindgroup Coaching Academy bilden wir Dich zum RMP-Master aus. Du erhältst nach der Ausbildung Dein persönliches Zertifikat und bist berechtigt, Profile zu erstellen und in Deiner Arbeit mit Klient*innen zu verwenden. Damit verschaffst Du ihnen einen tieferen Einblick auf ihre Persönlichkeit und Begabungen.